Rund 50 Schweizerinnen und Schweizer verbringen diesmal den April oder Teile davon mit NOIVA in Jordanien. Wo immer die kleinen, zusammengewürfelten, altersgemischten Teams hinkommen, bringen sie Farbe und Abwechslung mit. Und sie zeigen den Kindern und Erwachsenen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln: «Wir haben euch gern! Wir vergessen euch nicht!»
Tabea, die schon einige Male mit dabei war, berichtet davon, was sie in den letzten Tagen bewegt hat.
«Wann immer ich hier in Jordanien bin, sammeln sich Eindrücke wie Sandkörner an und bleiben an mir haften. Das Bild dieser Pflanze, des Eiskrauts, wurde für mich während den letzten Wochen zum Symbol, zur Metapher für das hier Erlebte.
Als Teil unseres Kids-Programms haben wir mit ca. 200 Kindern Pflanztöpfe bemalt und darin Eiskraut gesetzt, eine sukkulente Wüstenpflanze, die in Syrien wild wächst. Dazu braucht man bloss einen wachsenden Trieb abzuschneiden und in die Erde zu drücken. Er wird erneut Wurzeln schlagen. Abgetrennt und verpflanzt, wird das Kraut dennoch Wurzeln schlagen und weiter gedeihen. Dieser Gedanke weckt die Hoffnung in mir, dass auch dieses Land den Flüchtlingen nicht bloss als «Wartehalle» dient, sondern zu einem neuen Zuhause werden darf. Vielleicht nicht Heimat, aber doch zumindest ein fester, fruchtbarer Boden, der Sicherheit und Perspektive verspricht.
Als die Kinder ihren neu errungenen Schatz in den Händen hielten und ihn ganz vorsichtig mit sich davontrugen, hat mich ihre liebevolle Fürsorge berührt. Trotz aller Wunden und aller Not, die sie erfahren mussten – und die sie vielleicht hart, unnachgiebig und grob werden liessen –, zollten selbst die kleinsten Kinder dieser Pflanze Respekt. Umso mehr wünsche ich mir, dass sie denselben Respekt denjenigen Menschen entgegenbringen, die nun ihre Nachbarn sind. Ich weiss: Solche Gemeinschaft kann nicht erzwungen werden. Orte des Friedens sind fragil. Momente der Versöhnung müssen vorsichtig und liebevoll umsorgt werden, damit sie wachsen und aufblühen zu können. Doch diese Fürsorge ist in uns allen angelegt, wie ich heute mit eigenen Augen sehen durfte.
Diese Fürsorge ist in uns allen angelegt.
Eiskraut. Die Pflanze kann sogar Wasser in den Trieben und Blättern speichern, weshalb man sie zwischen dem Giessen austrocknen lassen muss. Kinderherzen hingegen können Liebe nicht auf Vorrat speichern. Wenn sie mir, einer Fremden, sehnsüchtig um den Hals fallen, sich an meine Arme und Beine hängen, wünsche ich mir für sie eine unversiegbarere Quelle der Aufmerksamkeit und Zuneigung. Es bewegt mich, wie sehr die Kinder danach verlangt, dass jemand sie im Arm hält und sie ansieht. Leise flüstere ich ins Ohr eines kleinen Mädchens, dass es wertvoll, geliebt und nicht vergessen sei. Es versteht mich nicht, kichert stattdessen über den seltsamen Klang der fremden Sprache. Tief im Herzen bleibt mir nur die Hoffnung, dass dieser Moment wieder lange hinreicht.
Liebe, kleine Wüstenblume, ich denke fest an dich …»