Bereits seit Mitte August ist das NOIVA-Team – nach ein paar Wochen verdienter Sommerferien in der Schweiz – wieder zurück in Jordanien. Frisch motiviert stürzte es sich sogleich in die Vorbereitungen für den Herbsteinsatz. Mit einer Dauer von insgesamt sechs Wochen ist dies der bisher längste Einsatz mit Freiwilligenunterstützung aus der Schweiz. In solchen Zeiten können dank der personellen Verstärkung sehr viele Flüchtlinge erreicht werden. Gleichzeitig ist der zusätzliche Organisationsaufwand eine grosse Herausforderung. Doch nach zwei Einsatzwochen ist klar: Das NOIVA-Team meistert dies mit Bravour! Und auch die Helferinnen und Helfer aus der Schweiz geben Tag für Tag ihr Bestes. Hier erste Berichte von zwei Teilnehmerinnen direkt aus Jordanien.
Die ersten paar Tage verbrachten wir in einem Palästinensercamp und führten morgens jeweils ein Kinderprogramm durch. Für den Nachmittag hatten die Frauen aus unserem Team ein Programm nur für Teilnehmerinnen zusammen-gestellt. In diesem geschützten Rahmen öffneten sich die Frauen und wir verbrachten entspannte Stunden miteinander. Bei Handmassagen und beim Herstellen von Schmuck entstanden sofort Gespräche. Auf besonders grosse Resonanz stieß das gemeinsame Tanzen. Zum Schluss bereiteten wir gemeinsam ein typisch schweizerisches Birchermüesli zu.
Als Nächstes folgte ein Theaterkurs. Die Stimmung unter den Teilnehmenden war locker und wir hatten zusammen extrem viel Spass. Bei den jungen Frauen und Männern aus dem Camp kam das eine oder andere Schauspieltalent zum Vorschein – aber auch wir aus der Schweiz überraschten uns teilweise gegenseitig! 😉
Die zweite Woche verbrachten wir in einer Stadt, die das NOIVA-Team von vielen Einsätzen bereits sehr gut kennt. Am ersten Morgen fuhren wir zu einem grossen, leeren Platz, um im Freien Zeit mit den Kindern aus der Umgebung zu verbringen. Schon bald kamen die Ersten freudig angerannt und riefen dabei Namen, die sie noch vom letzten Mal kannten. Doch auch die Neuen in unserer Gruppe schlossen sie sofort ins Herz. Bald war kein Erwachsener mehr zu sehen, der nicht mindestens ein Kind an der Hand oder auf dem Arm hatte. In kurzer Zeit fanden sich bis zu 80 Kinder ein. Wir boten sportliche Aktivitäten und einfache Spiele an, aber auch gemeinsames Singen und Basteln. Mit etwas Organisationsaufwand gelang es, dass jedes Kind selber ein Freundschaftsarmband und ein Frisbee aus Papptellern herstellen konnte.
An den Nachmittagen machten wir, aufgeteilt in kleine Gruppen, Hausbesuche bei bedürftigen Familien. Dabei brachten wir jeweils Kleider sowie ein grosses Lebensmittelpaket mit. Die Familien hiessen uns mit Tee oder Kaffee willkommen und genossen unsere Gesellschaft. Die strahlenden Gesichter liessen ihre Dankbarkeit auch ohne Worte bei uns ankommen. Eine Frau aus Syrien erzählte uns durch den Dolmetscher, dass sie mit ihrer Familie seit drei Jahren in Jordanien wohne, aber noch nie Besuch bekommen habe. Sie wollte uns zum Abendessen und sogar zum Übernachten einladen. Die Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Flüchtlinge berühren uns immer wieder. Mit jeder Begegnung wächst unsere Achtung vor diesen schwer geprüften Menschen noch mehr.
Wie bereits auf früheren Einsätzen, boten wir auch diesmal an einigen Abenden ein Kulturprogramm in der Stadthalle an, das jeweils allen Interessierten offensteht. Bei der ersten Veranstaltung stand ein Theaterstück im Zentrum: Auf der Bühne lag ein riesiges Geschenk. Die Personen, die darauf stiessen, reagierten völlig unterschiedlich. Die Erste dachte: «Das ist bestimmt nicht für mich, ich bin ein solches Geschenk nicht wert.» Die zweite Person übersah das Geschenk vor lauter Geschäftigkeit. Der dritte Schauspieler hatte die Arme bereits voller Geschenke und konnte nicht glauben, dass er gleich nochmals ein Geschenk erhalten sollte. Schliesslich erschien eine vierte Person, die das Geschenk nur für sich in Anspruch nehmen und gegen alle anderen verteidigen wollte – aus Angst, selbst zu kurz zu kommen. Doch dann kam die grosse Überraschung: Plötzlich kletterte ein Schauspieler aus dem Geschenk heraus und übergab jedem der Umstehenden nacheinander ein persönliches, passendes Geschenk. Fazit: Wir dürfen uns beschenken lassen – und dann auch selber zum Geschenk für andere werden …
Auch der nächste Kulturabend war ein voller Erfolg. Am Ende der Veranstaltung geschah etwas, was uns besonders berührte. Ein syrischer Familienvater sprach uns an und drückte sein Erstaunen aus: Hier seien Einheimische und Flüchtlinge, Menschen aus verschiedenen Völkern, Gross und Klein so friedlich in einem Raum zusammen und feierten gemeinsam ein Fest … er konnte fast nicht fassen, dass so etwas möglich ist.