Eine Definition von Hoffnung, die mir sehr gefällt, lautet so: Hoffnung ist die Überzeugung, dass die Zukunft besser sein wird als die Gegenwart, und ich habe die Kraft, dies zu erreichen.
Dazu kommt mir ein Mann in den Sinn, der mich tief beeindruckt hat. Er kam uns eines Tages verzweifelt, abgekämpft und frustriert besuchen. Nach einem einschneidenden Erlebnis in unserem Zentrum in Mafraq tauchte er einige Tage später wieder auf. Er präsentierte uns stolz einen Wagen, den er hergerichtet hatte, damit er auf der Strasse Bohnen verkaufen kann. Als wir ihn wenig später bei ihm zu Hause besuchten, zog er uns hinter das Haus und zeigte uns, wie er in dem kleinen Hinterhof, der zu seiner Wohnung gehört, fein säuberlich Beete vorbereitet hatte, damit er Gemüse anpflanzen konnte. Ich war begeistert und kannte ihn kaum wieder. Sein Garten sah toll aus. Einige Beete waren für die Aussaat bereit, in anderen fehlte noch die fruchtbare Erde. Seine Tochter war überglücklich über den plötzlichen Wandel in ihrem Vater. Im Gespräch erzählte er uns, dass er seit dem Besuch im Zentrum neue Gedanken habe, Gedanken, die er vorher nicht hatte. Ich bin überzeugt, dass Hoffnung sein Herz und seine Gedanken wieder belebt hat.
Bei einem anderen Mann, dem ich vor einigen Jahren in einem Hausbesuch begegnet bin, habe ich dieselbe treibende Kraft festgestellt. Er erzählte uns damals seine traurige Geschichte. Er arbeitete für das Bildungsministerium in Damaskus. Wegen dem Krieg gab es zahlreiche Strassensperren auf dem Weg zur Arbeit. Sein Arbeitsweg dauerte zwischenzeitlich mehr als zwei Stunden, weil er immer wieder angehalten wurde. Aus dem Grund blieb er der Arbeit mehrere Tage fern. Das Regime wurde darauf aufmerksam und interpretierte sein Fernbleiben so, dass er sich den Regime-Gegnern angeschlossen hatte. Er wurde daraufhin zu Hause abgeholt und ins Gefängnis gesteckt. Wegen der Folter verlor er sein Bein. Wegen den Elektroschocks verlor er die Englische Sprache komplett. Später konnte er nach Jordanien flüchten und wohnt jetzt in Mafraq. Er hat aufgestellt gewirkt, voller Tatendrang. Im Gespräch hat er uns erzählt, dass er angefangen hat mit seinem Vermieter Brettspiele zu spielen. Sein Vermieter ist ein Jordanier. Sie verstehen sich gut – es kommen immer mehr Männer dazu, Syrer und Jordanier. Er bezeichnet das gemeinsame Brettspiel als kleine Friedensbewegung. Zwischen Jordaniern und Syrern herrschen oft grosse Spannungen. Mich hat tief beeindruckt, dass ein Mann, dem so viel Leid widerfahren ist, sich so engagiert für Frieden, für andere Menschen und ganz praktisch mit seinen Möglichkeiten beiträgt, dass die Zukunft besser wird als die Gegenwart.
Christoph Roggli, Leiter Team Jordanien