Einen Einsatz besonderer Art haben im Frühjahr 17 Studierende der Hochschule der Künste Bern geleistet: Im Rahmen des CAS «Kunst, Konflikt und Kooperation» besuchten sie in Jordanien Menschen mit Migrationshintergrund, um gemeinsam mehrere Kurzprojekte zu erarbeiten – sowohl für die Kunstschaffenden als auch für die Teilnehmenden eine ganz neue Erfahrung. CAS-Studentin Nadja berichtet, welche Eindrücke ihr geblieben sind.
Es ist schon einige Monate her, dass ich in Jordanien ins Flugzeug gestiegen bin, um zurück in die ruhige und sichere Schweiz zu fliegen. Am Flughafen in Jordanien läuft ironischerweise als letzes Lied «You raise me up» von Josh Groban. Bis heute kann ich dieses Lied nicht mehr hören, ohne dass mir Tränen in die Augen steigen. Nach meiner Rückkehr habe mich in meiner eigenen Heimat so fremd gefühlt wie noch nie. Und es hat einige Wochen gedauert, anzukommen und zu akzeptieren, dass ich einfach Glück hatte, in der Schweiz geboren worden zu sein. Während ich dies schreibe, könnte ich gleich losschreien über die Ungerechtigkeit und die Ohnmacht in dieser Welt. Und trotzdem sitze ich hier in meiner WG, werde in ein paar Tagen in den Berufsalltag einsteigen – und wenn ich wollte, könnte ich mein Leben hier ganz einfach genauso fortführen wie vor meinem Aufenthalt in Jordanien.
Die leuchtenden Augen. All die Mohammeds, Abhuds, Nouras und Nulhudis. Die Menschen da haben so wenig und geben dir trotzdem alles.
Manchmal betrachte ich die Halskette, die mir ein Mädchen nach einem chaotischen, überfordernden und für mich prägenden Abend aus dem Nichts in die Hand gedrückt hat, und alles kommt wieder hoch. Noch immer habe ich die Gesichter dieser Kinder klar vor Augen. Ihre Hände, die meine ganz fest halten und nicht mehr loslassen wollen. Die leuchtenden Augen. All die Mohammeds, Abhuds, Nouras und Nulhudis. Die Menschen da haben so wenig und geben dir trotzdem alles.
Dank NOIVA hatten wir Zugang zu Menschen mit Fluchthintergrund, mit denen wir sonst nicht in Kontakt gekommen wären. Und dafür bin ich dankbar. Manchmal habe ich mich gefragt, ob die Kinder und Jugendlichen in den Camps mir nicht mehr gaben als ich ihnen. Es ist schwierig zu sagen, ob wir den Kindern wirklich «helfen» konnten. In zwei Wochen lässt sich keine Welt bewegen. Und helfen ist wahrscheinlich auch der falsche Ausdruck dafür. Denn gerade mit der Theatergruppe von Jugendlichen aus Jerash und Baqa war es definitiv eine Arbeit auf Augenhöhe. Und die hat mir besonders Spass gemacht.
Und da gab es diese zehn Minuten, in denen ich es tatsächlich schaffte, jedem Einzelnen von ihnen klar zu machen: «Du wirst gesehen und auch du kommst an die Reihe.»
Es brauchte auch sonst manchmal gar nicht viel. Vor allem Aufmerksamkeit, Wahrnehmen und Zuneigung waren wichtig – so abgedroschen das klingen mag. Die Jungs im Azraq-Camp zum Beispiel haben sich fast die Köpfe eingeschlagen, weil sie alle die akrobatische Übung machen wollten. Und da gab es diese zehn Minuten, in denen ich es tatsächlich schaffte, jedem Einzelnen von ihnen klar zu machen: «Du wirst gesehen und auch du kommst an die Reihe.» Da war dann plötzlich eine Ruhe, eine Konzentration und ganz einfach Freude. Das war ein kleiner Sternstunde-Moment für mich. Und da war ich nicht die Einzige.
Wenn ich irgendwann wiederkomme, dann will ich mich auf Arabisch verständigen können. Denn die wahre Hilfe waren die Übersetzer und Volunteers, die uns den Rücken freigehalten haben. Sie waren einfach nur Klasse. Ohne diese Menschen wären wir 17 Leute aus der Schweiz manchmal schlicht und einfach überrannt worden.
Zur Videodokumentation (ca. 9 Minuten)