9 Monate, 9 LerntrainerInnen, 90 Kinder – soweit die aktuelle Bilanz von «learn2live». Es ist begeisternd zu sehen, wie sich das Leben der Kinder und LerntrainerInnen positiv verändert. Hier ein Update von der Schweizer Projektleiterin, Johanna (32).
Inzwischen sind sechs Lerntrainerinnen und drei Lerntrainer bei unserem schnell wachsenden Projekt involviert. Einige der von uns begleiteten Kinder konnten per Schuljahresbeginn im August an die UNICEF-Schule weitervermittelt werden, was für uns einen grossen Erfolg bedeutet – schliesslich ist «learn2live» als Brückenangebot gedacht. Diese Kinder, die den Anschluss an die Schule verloren oder noch gar nie gefunden hatten, haben nun den Sprung geschafft! Wir freuen uns für jedes einzelne von ihnen. Nach wie vor gibt es tausende Flüchtlingskinder, die hier in Jordanien durch die Maschen fallen und eine wertvolle Lernzeit ihres Lebens versäumen. Möglichst viele von ihnen aufzufangen ist und bleibt das Ziel, für das wir unermüdlich kämpfen.
Das Highlight der letzten Zeit war ein gemeinsames Camp aller Lerngruppen. Über 50 Kinder sowie deren Lerntrainerinnen nahmen daran teil. Die Organisation dieser Woche war eine Herausforderung, geht es doch hier in Jordanien etwas anders zu und her als in Europa! Ein Beispiel: Einige Tage vor Campbeginn wurde uns beiläufig mitgeteilt, dass die von uns reservierten Räumlichkeiten anders genutzt werden würden. Wir müssten uns nach etwas anderem umsehen. Doch wohin mit 50 Kindern in so kurzer Zeit? Die Lösung wurde mir noch am selben Tag auf dem Tablett serviert: Ein Zentrum für Entwicklung und Training öffnete uns seine Türen. Die Räumlichkeiten waren hervorragend: Ein grosses Zimmer mit Leinwand, ein kleineres Zimmer, eine Küche, ein Aussenplatz für Spiele – und all dies, so sagte man mir, für «nur» 150 Dinar (ca. 210 Franken) pro Tag! Dieser Betrag natürlich bei Weitem nicht im Budget. Nachdem ich dem Direktor von unserer Arbeit berichtet und die Sachlage erklärt hatte, erklärte er sich plötzlich bereit, uns die Räume kostenlos zu überlassen! Dies war nur eines von zahlreichen kleinen Wundern, die wir in unserer Arbeit – bei allen Spannungen und Herausforderungen – tagtäglich erleben. Auch wenn wir oft viel Ausdauer und Beharrlichkeit brauchen, gibt es am Ende (fast) immer einen Weg.
Das Lerngruppen-Camp wurde für alle Beteiligten ein grosser Erfolg. Die Kinder waren so voller Vorfreude, dass sie jeden Tag sogar vor der Zeit an der vereinbarten Bushaltestelle bereitstanden. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Pünktlichkeit im Nahen Osten ganz anders definiert wird als bei uns. Die Schüler wollten um keinen Preis einen der angekündigten Ausflüge verpassen! Die ersten zwei Tage verbrachten wir in den nahegelegenen Hügeln, wo die Kinder unter anderem auf Bäume klettern und Schaukeln basteln konnten. Anschliessend folgten drei Tage im Zentrum. Neben Singen, Theater spielen, Geschichten hören usw. gab es täglich Lernsequenzen – und zwar nicht nur den gewohnten Arabisch-, Englisch- und Mathematikunterricht, sondern auch Instruktionen zu wichtigen Themen wie Hygiene und Gesundheit. So kam denn einmal eine Dentalhygienikerin zu Besuch, die den Kindern das Zähneputzen beibrachte. Einzelne von ihnen hielten zum ersten Mal in ihrem Leben eine Zahnbürste in der Hand! Von nun an soll in den Lerngruppen und zuhause fleissig weitergeputzt werden.
Zum Schluss wurde die gemeinsam verbrachte Woche mit einem Besuch in einem Zoo mitsamt Vergnügungspark gefeiert: Die Begeisterung der Kinder kannte keine Grenzen! Die meisten von ihnen hatten zuvor noch niemals wilde Tiere wie Löwen, Bären oder Affen «live» zu Gesicht bekommen und konnten sich kaum daran sattsehen.
Hier einige der Rückmeldungen, die wir nach dem Camp von Eltern und Lerntrainerinnen bekommen haben: Die Kinder sind selbstbewusster geworden und getrauen sich nun ohne Scheu, das Haus zu verlassen. Sie folgen dem Unterricht motivierter und hören besser auf ihre Lerntrainerinnen. Das Sozialverhalten in der Gruppe hat sich stark verbessert. Viele haben neue Freunde gefunden. Das Klettern auf den Bäumen, Frisbee und Fussball spielen, das Seilspringen und die Wasserstafetten fanden alle toll. Die Kinder haben Spass am Zähneputzen und benutzen die geschenkten Zahnbürsten und Zahnpasten. Auch instruieren sie bereits ihre Familien. Sie essen gesünder oder versuchen es zumindest. Auch hier teilen sie ihr neugewonnenes Wissen mit Eltern und Geschwistern.
Die Lerntrainerinnen selber haben neue Seiten an sich entdeckt: Eine hat herausgefunden, dass sie es liebt, Geschichten lebendig zu erzählen. (Traditionellerweise werden Texte sehr eintönig vorgelesen.) Eine andere hat Freude am Spielen gefunden. (Dass eine Lehrerin mit ihren Schülern spielt, entspricht ebenfalls nicht der Tradition.)
Mitzuerleben, wie Leidenschaft, Freude und Freiheit sich im Leben der Kinder ebenso wie der Lerntrainerinnen ausbreiten, lässt alle Kosten und Mühen gering erscheinen. Es lohnt sich tausend Mal! Wir freuen uns auf die kommende Zeit, aufs gemeinsame Weiterlernen … und natürlich auch schon auf das nächste Camp!