Ende Februar sind zwölf Helferinnen und Helfer zwischen 19 und 65 Jahren von Jordanien zurückgekehrt. Sie hatten NOIVA bei der Flüchtlingshilfe unterstützt. Besonders gefreut hat uns die Eigeninitiative der Freiwilligen. Wie bunt und fröhlich wird es, wenn alle ihre Gaben und Fähigkeiten einfliessen lassen!
Die kleine Bibliothek im Stadtzentrum war rappelvoll. Gegen 60 Männer, Frauen und Teenager hatten sich hier versammelt, um Englisch zu lernen. Nicht alle stammten aus Syrien; auch ein paar Einheimische waren dabei. Denn Bildung ist ein kostbares Gut – das scheint den Menschen in dieser Wüstenstadt bewusst zu sein (vermutlich einiges bewusster als uns «chancenverwöhnten» Schweizern)!
Grosse Freude am Lernen
Die Gruppen waren nach Geschlecht und auch einigermassen nach Niveau eingeteilt worden; dennoch gab es teilweise grosse Unterschiede beim Kenntnisstand der Einzelnen. Und hier zeigte sich eindrücklich die Haltung der Kursteilnehmenden: Wer die Übungen (zu) schwierig fand, machte mit und gab sein Bestes. Wer sie (zu) einfach fand, machte mit und hielt sich höflich zurück. Niemand beschwerte sich oder hängte ab. Für uns als «Lehrerteam» war die Zusammenarbeit mit all diesen willigen und wissbegierigen Schülerinnen und Schülern sehr angenehm. Und wenn zeitweise die Köpfe rauchten oder die Verständigung schwierig war, halfen Hände, Füsse und viel Humor darüber hinweg. Die Freiwilligen, die keine Unterrichtserfahrung haben, bekamen in diesen zwei Wochen einen kleinen Einblick ins Lehrerdasein und entdeckten, wie schwierig und anstrengend, aber auch wie schön und bereichernd dieses sein kann.
«Erste Hilfe» auf Arabisch
In der ersten Woche durfte jede der vier Gruppen einmal den Englischunterricht aussetzen und an einem Kurse für «Erste Hilfe» teilnehmen. Dieser war aus der Initiative zweier Teilnehmer entstanden, die in diesem Bereich besondere Kenntnisse haben. Sie achteten darauf, dass der Kurs inhaltlich den Bedürfnissen der Flüchtlinge entsprach, also Situationen behandelte, die in deren Alltag häufig vorkommen (z. B. Verbrennungen und Verbrühungen durch die verbreiteten Gasöfen und -kocher). Es war von grossem Vorteil, dass ein jordanischer Dolmetscher zur Verfügung stand, der selbst eine medizinische Ausbildung hat.
Von Haus zu Haus
Nachmittags waren wir in kleinen Gruppen, jeweils mit einem Dolmetscher oder einer Dolmetscherin, in der Stadt und im Umland unterwegs und besuchten die Ärmsten der Armen – viele syrische, aber teilweise auch einheimische Familien. Dabei konnten wir mehrere hundert Haushalte mit Lebensmittelgutscheinen unterstützen sowie dringend benötigte Kleider, Spielsachen und Hygieneartikel abgeben. Wie immer wurde während dieser Besuche nicht nur über Nöte und Probleme geredet, sondern auch viel gelacht, gesungen und gespielt. Je grösser die Sorgen des Alltags, desto mehr sehnen sich die Menschen nach ein paar unbeschwerten Stunden.
Ein Zelt, ein Klo, ein Wassertank
Bei diesem Einsatz kamen wir zum ersten Mal in näheren Kontakt mit einigen «Zeltsiedlungen» ausserhalb der Stadt: Familien, die miteinander verwandt oder befreundet sind, haben sich in kleineren Verbänden von jeweils ca. einem Dutzend Haushalten in scheinbarem Niemandsland niedergelassen, um der Enge eines Flüchtlingslagers und den horrenden Mietpreisen in der Stadt zu entgehen. Doch auch sie müssen für das Land, auf dem ihre Zelt stehen, bezahlen. Ihre Wasserversorgung besteht aus Tanks, die von Lastwagen kostenpflichtig aufgefüllt werden. Da Platz rund um diese Zeltsiedlungen reichlich Platz vorhanden ist, nutzten wir die Gelegenheit, Spielnachmittage mit den Kindern durchzuführen, während ihre Eltern im Gemeinschaftszelt Lebensmittelgutscheine erhielten.
Schule ist überall möglich!
Riesig gefreut hat uns die Bekanntschaft mit einem syrischen Flüchtling, der Lehrer ist und sich dies auch hier in Jordanien nicht nehmen lässt: In seiner Zeltschule unterrichtet er sämtliche Kinder der Zeltsiedlung, in der er lebt – das sind mehrere Dutzend, verteilt auf alle Klassen! Mit viel Kreativität hat er den einzigen Unterrichtsraum eingerichtet und dekoriert. Beim näheren Hinsehen entpuppen sich die vielen bunten Bänder, die von der Decke herabhängen, als in Streifen geschnittene Plastiktüten! Hier wurde aus «nichts» enorm viel gemacht. Die Wände sind voller Plakate zu den unterschiedlichsten Themen, so dass die Kinder sich die Inhalte leicht einprägen können. Unterrichten ist für diesen Lehrer Passion und er überlegt sich jeden Tag, was «seine» Kinder wissen und lernen müssen, um es im Leben möglichst weit zu bringen. Von ganzen Herzen investiert er alles, was er hat, in seine Schülerinnen und Schüler. Besonders Johanna, die bei NOIVA das Projekt «learn2live» leitet, war von diesem wunderbaren Beispiel gelebter Eigeninitiative hell begeistert. Es braucht mehr solche Menschen, denn sie können in ihren Umfeld einen echten Unterschied bewirken!
Breakdance bis ans Limit
In der zweiten Woche profitierten wir von einem weiteren Stück Eigeninitiative: Einer der Einsatzteilnehmer, Marc, brachte sein Talent ein, indem er einen Breakdance-Workshop für Jugendliche anbot. Die Jungs waren Feuer und Flamme und trainierten eifrig jeden Nachmittag, um ihr Können schliesslich auf der Bühne zu zeigen: Der Kulturevent am letzten Tag war ein würdiger Anlass für diese Top-Performance! Marc sagte über das Training: «In der Schweiz hätte ich mit Jungs dieser Altersgruppe wohl kaum dasselbe Ergebnis in derart kurzer Zeit erreichen können. Alle waren derart motiviert und konzentriert, es war eine Freude!»
Wir sind alles Menschen …
Neben vielen besonderen Momenten bleiben vor allem die Begegnungen mit all den unterschiedlichen, einzigartigen, wunderbaren Menschen in Erinnerung:
… Unsere jordanischen und syrischen Volunteers dolmetschten und unterstützten, wo sie konnten. Einige von ihnen haben bei der Arbeit extra Ferientage bezogen, um mit uns unterwegs sein zu können.
… Eine syrische Familie hat uns mehrmals ihr Haus geöffnet und jeweils ein feines, traditionelles Mittagessen für uns alle gekocht. So erhielten sie das Geld, das wir anderweitig fürs Essen hätten ausgeben müssen – und uns gefiel es bei ihnen viel besser als in einem Restaurant! Eine klassische Win-win-Situation also 🙂
… In den Kursen, Workshops, während Spielnachmittagen, Hausbesuchen und Kulturevents trafen wir unzählige liebenswürdige Menschen, die sich im Nu einen Platz in unseren Herzen erobert haben. ♥
Wir sagen DANKE für jedes freundliche Wort, jede helfende Hand und jedes offene Herz.